Vom Fachausschuss zum Kompetenznetzwerk

«Was hast du in diesem Prozess gelernt?» – Umweltingenieurin Ulla Hartmann zögert keine Sekunde: «Wie bei vielen Dingen heisst es, einfach mal anfangen. Das neue Netzwerk Wärmepumpen wird sich mit der Zeit entwickeln und nie wirklich ‘fertig’ sein. Bereits jetzt konnte ich unglaublich viel von meinen Kollegen und Kolleginnen über Wärmepumpen lernen.» Ullas Erkenntnis trifft den Kern eines Wandels, den auch unsere Branche durchläuft: Der blosse Besitz von Fachwissen reicht längst nicht mehr aus. Erst durch den Austausch in laufenden Projekten und das Teilen von Erfahrungen aus anderen Projekten entsteht ein echtes Kompetenznetzwerk, das lernfähig bleibt und sich laufend an neue Herausforderungen anpasst.

Vom isolierten Fachwissen zur verknüpften Kompetenz
Schon der französische Philosoph Michel Foucault stellte fest: «Wissen ist Macht.» Doch was bedeutet das in Zeiten rasanter technologischer Entwicklungen? Einst wurde Wissen als feststehende Grösse angesehen: Als Summe gesammelter, archivierter und kontrollierter Informationen, die so der Qualitätssicherung dienen. Auch bei uns formierte sich 2012 dafür ein Fachausschuss, welcher für die Festlegung und Einhaltung von Standards und Regelwerken verantwortlich war. Doch wenn sich Wissen immer schneller wandelt, reicht diese Reduktion auf wenige Köpfe nicht mehr aus. Zusammen mit dem Unternehmenswachstum und einer zunehmend breiteren Dienstleistungspalette wurde klar: Wir brauchen eine neue Struktur, wie der bisherige Fachausschuss seine zentrale Aufgabe rund um Wissen und Qualität in einer neuen Form wahrnehmen kann.
Die Transformation vom Fachausschuss zum Kompetenznetzwerk macht deshalb sichtbar, was uns schon länger beschäftigt: Die Zusammenarbeit in Netzwerken als lebendige Orte, an denen sich Menschen mit demselben Anliegen und unterschiedlichen Perspektiven aktiv verknüpfen, ihre Expertise teilen und weiterentwickeln. «Zugegeben: Anfänglich brauchte ich etwas Zeit, um mich vom Fachausschuss zu lösen und die Idee des Kompetenznetzwerks zu verstehen.», ergänzt Jens Schmidt, Verfahrens- und Umwelttechniker mit Fokus auf Anlagenbau und seit 2012 als treibende Kraft Teil des Fachausschusses. Heute stelle er fest, dass diese Transformation ein logischer und notwendiger Schritt gewesen sei. «Nicht zuletzt, da wir diesen Schritt in anderen Bereichen bei TBF längst vollzogen haben: Der Fachausschuss ist der Entwicklung sozusagen gefolgt.»

Qualität wird zur Kulturfrage
Die breite Beteiligung im Netzwerk ermöglicht durch das geteilte Gefühl für Verantwortung und den intensiven Austausch einen neuen Zugang zu Qualität. Qualität wird zu einem dynamischen Produkt des Aushandelns von Erwartungen und Bedürfnissen. Diese Dynamisierung zeigt sich vor allem in der zunehmenden Komplexität der Projekte: «Unsere Projekte sind Unikate – wir produzieren ja keine Stuhlbeine», ergänzt der auf Tiefbau spezialisierte Bauingenieur Christian Hengemühl. Wir seien uns auch der grossen Verantwortung bewusst, die wir in unseren Projekten tragen. Die Herausforderung liege somit darin, Fachwissen nicht nur aufzubauen, sondern als Ressource über Team- und Projektgrenzen hinweg zu vernetzen und zugänglich zu machen, erläutert Christian weiter. So werde Wissen zur Kompetenz. Dieses neue Verständnis erfordere weiter, dass wir uns von der Vorstellung von Qualität als etwas Stabiles und Messbares lösen. Das fällt uns ehrlich gesagt manchmal noch schwer, weil diese Vorstellung uns Sicherheit gibt.
In diesem Prozess wird die Kommunikation zu einem zentralen Faktor: Wir alle machen Fehler, haben Fragen oder spüren Unsicherheiten – sie sind der Treibstoff der lernenden Organisation und der beteiligten Menschen. Qualität hat deshalb viel mit unserer Kultur der Zusammenarbeit zu tun: Schaffen wir es, unsere Fehler zu teilen, voneinander zu lernen und gemeinsam besser zu werden? Dafür braucht es gegenseitiges Vertrauen sowie die Bereitschaft zur Selbstreflexion. Qualität wird somit zu einem gemeinschaftlichen und dynamischen Ziel und zu einer Haltung. «Indem wir Qualität als Haltung leben, entwickeln wir ein Arbeitsklima, das vielseitigen Austausch fördert.», ergänzt Jens.

Zum Beispiel das Netzwerk Wärmepumpen
Das bringt uns zurück zu Ulla und den Wärmepumpen. Weil diese in immer mehr Projekten eine zentrale Rolle spielen, kam die Idee auf, ein eigenes Netzwerk zu schaffen. Ulla, die das Netzwerk mitgegründet hat, beschreibt den Prozess so: «Man findet Menschen mit spezifischen Kompetenzen und Interessen in dem Bereich, teilt Verantwortlichkeiten und strukturiert die Unterthemen. So wird das Wissen für alle zugänglich und verständlich.» Ein solches Netzwerk ist mehr als nur eine Wissensquelle – es fördert die Zusammenarbeit und den Austausch von Good Practice, wodurch alle Beteiligten voneinander lernen können.
Solche fachlichen Netzwerke entstehen laufend – und können sich auch wieder auflösen, wenn sie nicht mehr relevant sind. Das Koordinationsteam des Kompetenznetzwerkes, zu dem auch Christian und Jens gehören, kümmert sich «nur» darum, dass sich Netzwerke zu relevanten Themen formieren, begleitet diese bei der Gründung, bündelt Diskussionen zur Vermeidung von Doppelspurigkeiten und unterstützt bei der Kommunikation. Und es stellt gleichzeitig sicher, dass «Dauerthemen» wie Berechnungstools und Normen effizient und sicher verwaltet werden. Die einzelnen fachlichen Netzwerke werden damit zur regelrechten Community of Practice. Die Aktivitäten selbst laufen somit nicht mehr über ein zentrales Gremium: Ein klarer Unterschied zu früher.

«In selbstorganisierten Netzwerken entsteht eine beeindruckende Dynamik.»
Andreas Münzmay
Andreas Münzmay, Verfahrensingenieur mit Fokus auf thermische Abfallverwertung und seit 2017 treibende Kraft des Fachausschusses, beschreibt das wie folgt: «Was mich begeistert, ist die Dynamik, die in selbstorganisierten Netzwerken entsteht. Alle sind mit ihren ganz eigenen Kompetenzen gefragt. Niemand muss mehr warten, bis sich das Gremium eines neuen Themas’ annimmt, Grundlagen ermittelt, systematisiert, standardisiert und freigibt …»
Es gibt zu bedenken, dass nicht alle Fachpersonen per se auch geborene Organisator:innen oder Netzwerker:innen sind. Als Hilfestellung dafür ist ein Koordinationsnetzwerk entstanden. Neben ‘alten’ Fachausschussmitgliedern umfasst dieses auch Profis für Kommunikation und Zusammenarbeit. Dazu meint Andreas: «Gerade über deren Unterstützung bin ich als ‘alter Hase’ sehr froh und dankbar. Zeigt mir ihre Arbeit doch immer wieder auf, wie eingefahren man manchmal selbst ist und wie wertvoll das Aufsetzen einer anderen Brille sein kann.»