
Wissen und das Einlassen auf noch nicht wissen
Thomas und Áedán zur Komplexität: Gab es sie schon früher oder beginnt sie gerade? Was den ältesten und den jüngsten Firmenteilhaber bewegt. Zwei Sichtweisen auf Komplexität und die Begegnung damit.
Zahlen - und wo diese entstanden sind
Alterspyramide
Weitermachen in komplexen Zeiten
Adaption statt Stagnation - Markus Juchli und Joachim Rutz im Open-Air-Talk, über schwebende Damokles-Schwerter, denkbar schlechte Zeitpunkte, und welche Chancen sich eröffnen, wenn man trotzdem loslegt.
Einblick in unser erweitertes Leistungsspektrum
Weshalb wir lieber ohne Vorgaben entstehen lassen. Unsere Dienstleistung, Unternehmensberatung (UB), würde vielleicht besser Unternehmensentwicklung heissen.
Im Austausch mit Léonie Mollet erzählen Andreas Sägesser und Áedán Christie wie sie Prozessdesign gleich selber leben - ausprobieren, lernen, teilen. Hier zeigt sich, dass die Abenteuerlust mit der nötigen Experimentierfreudigkeit zum Erfolg führt - Und darum heisst es auch weiterhin: Exploring Together!

Der Leuchtturm
von Sesto San Giovanni
Der Umgang mit Klärschlämmen in Italien, jene Schlämme, die bei der Abwasserreinigung entstehen, war bis vor ein paar Jahren noch lückenhaft geregelt. Jetzt tut sich in diesem Bereich aber einiges. Mit unserem Tessiner Team haben wir uns nicht nur über das Projekt Sesto San Giovanni, sondern ganz grundsätzlich über Klärschlammbehandlung in Italien unterhalten.
Antonio, du warst beim Projekt in Sesto San Giovanni an vorderster Front mit dabei. Wie kam es zu dieser Anlage?
Antonio: Die kurze Antwort: Die Anlage in Sesto San Giovanni erfüllte ein lange bestehendes Bedürfnis. Für die längere Antwort müssen wir die Geschichte der Klärschlammbehandlung in Italien etwas aufrollen. In Italien war es bisher gang und gäbe, Klärschlämme mehrheitlich in der Landwirtschaft als Düngemittel zu verwenden. Zum Vergleich: In der Schweiz kennt man diese Praxis zwar auch, seit 2006 ist sie aber verboten. In Italien lief diese Haltung weiter. Der grösste Abnehmer von Klärschlämmen in Italien ist mit Abstand die Landwirtschaft in der Lombardei. Hunderttausende von Tonnen pro Jahr werden von der Umgebung, aber auch von ganz Italien, in diese fruchtbare Region transportiert.
Wir machen nun einen Sprung ins Jahr 2016: Die Bevölkerung in Pavia, eine Region im Südwesten der Lombardei, reichte Klage ein. Der Gestank war zu einem echten Problem geworden. Offizielle Untersuchungen ergaben, dass die verwendeten Klärschlämme noch dazu unerlaubte Schadstoffe enthielten. 2017 wurden entsprechend verschärfte Gesetzesvorschriften eingeführt: Neu werden Klärschlämme in Qualitätsstufen unterteilt, wobei nur die qualitativ hochwertigsten als Düngemittel zugelassen sind. Aber das ist noch nicht alles: Nicht nur Gestank oder Zusammensetzung der Klärschlämme war ein Problem, sondern vor allem die schiere Menge!
Wieso war die Menge ein Problem? Verbrennungsanlagen gab es in Italien ja bereits vor Sesto San Giovanni.
Antonio: Natürlich, aber die Ausgangslage nach der Gesetzesanpassung war eine andere. Man muss sich das so vorstellen: Aus der Abwasserreinigung entstehen ca. 450.000 Tonnen ziviler Klärschlamm pro Jahr. Davon wurde bisher etwa 80 % in die Landwirtschaft eingetragen. Durch die Gesetzesverschärfung von 2017 durfte aber nur noch ein Bruchteil der Schlämme in die Landwirtschaft fliessen. Der grosse Rest konnte z.T. in den bestehenden Abfallverbrennungsanlage mitverbrennt werden, aber da deren Kapazität nicht ausreichend war, um die ganze Menge zu entsorgen, musste ein beträchtlicher Teil der Schlämme zu sehr hohen Kosten an Verbrennungsanlagen im Ausland geliefert werden. Verständlich also, dass Betreiber:innen von Abwasserreinigungsanlagen nach Lösungen suchten, um autonom und finanziell unabhängig zu werden.
Lucas, was ist jetzt neu an dieser Anlage? Warum spricht man hier von einem Leuchtturmprojekt?
Lucas: Die Klärschlammverbrennungsanlage an sich ist eine gängige, moderne Anlage. In Italien ist diese Anlage aber die erste ihrer Art. Einerseits wird der Standort einer bestehenden Abfallverbrennungsanlage umgenutzt, die aus Altersgründen so oder so hätte rückgebaut werden sollen. Der bestehende Kamin der Anlage wurde durch einen neuen ersetzt, was wiederum weniger Umstände für Anwohner:innen verursacht. Und andererseits wird mit dem anliegenden Klärwerk eine Synergie erzielt, indem die dortigen Klärschlammfaultürme in Vergärungseinheiten umgewandelt wurden. Dort wird aus Küchenabfällen zuerst Biogas erzeugt und dieses – nach dessen Behandlung – in Biomethan umgewandelt.
Pionierhaft an diesem Projekt ist also das 360°-Denken, das dort vorgelebt wird.
Das bedeutet, dass es bei Sesto San Giovanni um mehr als eine Anlage geht. Paolo, wie schätzt du das ein?
Paolo: Die Anlage in Sesto ist eine Türöffnerin. Durch die Veröffentlichung des Projektes im Jahr 2019 wurde ein Modernisierungsschub eingeleitet. Immer mehr Anlagen folgten diesem Beispiel und wurden umgebaut. Meiner Meinung nach kann man von einer Klärschlammverbrennungswelle sprechen!
Wie meinst du das?
Paolo: Die Bedingungen sind jetzt anders. Es gibt eine neue Gesetzgebung, autonomes Entsorgen von Schlämmen wird durch neue Anlagen ermöglicht, der regionale Klärschlammüberschuss kann behoben werden. Und denkt man diese regionalen Entwicklungen auf Anlagenebene in einem nächsten Schritt auf die nationale Ebene, dann wird klar, wie sich das gesamte System der Klärschlammbehandlung in Italien verändert.
Thomas, du betreust bereits seit vielen Jahren Projekte in Italien: Was hat deiner Meinung nach diese Wende begünstigt? Und wie ist es uns gelungen mitzuwirken?
Thomas: Meiner Meinung nach sind es all die kleinen Entwicklungen, eine nach der anderen, die den Ball ins Rollen gebracht haben. Sesto San Giovanni war eine öffentliche Ausschreibung, die wir gewonnen haben und so bei der Transformation unterstützen konnten. Seit nun 30 Jahren sind wir in Italien tätig und haben uns in die italienische Kultur eindenken können: Wir arbeiten nicht in einem anderen Land und erwarten, dass Prozesse genau gleich ablaufen wie in der Schweiz. Aber das macht die Arbeit in anderen Ländern, wie wir es auch in Deutschland, Frankreich und anderen Ländern tun, gerade spannend. Hier braucht es Fingerspitzengefühl, gute Referenzen und eine grosse Portion Erfahrung.
Schlussendlich geht es bei unserer Arbeit in Italien wie auch in der Schweiz um die Ermöglichung, um das Vorwärtsmachen. Wir fragen uns, wie wir einfache, effiziente Lösungen anbieten können. Das setzt eine enge Zusammenarbeit mit unseren Kund:innen voraus, was unserem Selbstverständnis von einer visionären Firma entspricht, die gerne mit ihren Kund:innen zusammen Neues entwickelt. Auch wenn wir vielleicht keine echten Leuchttürme bauen.

Auf zur neuen «Wiesn»
Wir sind mehr als «nur» Ingenieure:innen und Planer:innen… und das sind wir gerne und es macht uns grosse Freude!
Seit einigen Jahren unterstützen wir bei der Unternehmensentwicklung und helfen Unternehmen dabei, sich in den aktuellen Zeiten besser zu positionieren und u. a. vernetzt zusammenzuarbeiten. Wir haben gemerkt, dass unsere Kunden diese Unterstützung als hilfreich und wertvoll schätzen und wir damit Mehrwert schaffen.
Auf der Suche nach neuen Abenteuern und neuen Kompetenzen sind wir im November 2022 in München gelandet. Warum München? Weil wir dort mit Cristina Cerqueiro eine Expertin im Bereich der Digitalisierung und Kommunikation gefunden haben, die es weiss, Unternehmen im Wandel zu begleiten und auch unsere strategischen Beratungskompetenzen im TBF-Netzwerk noch weiter voranbringt. Wenn jemand nicht zu uns in die Schweiz kommen kann, dann kommen wir halt zu ihm – so wie eben nach München, wo wir an unserem neuen Standort, mitten in Bogenhausen, mittlerweile schon ein kleines schlagkräftiges Team etablieren konnten.
Unserem holistischen Ansatz treu, erweitern und vertiefen wir unser Know-how in der Unternehmensberatung und bieten genau das, was unsere Kund:innen und Partner:innen gerade von uns brauchen. Von strategischer Entwicklung über Positionierung bis zum Branding und digitalen Plattformen – wir schaffen aktuelle Kommunikationskonzepte und -lösungen, die für mehr Visibilität sorgen und die Innovation und Nachhaltigkeit unserer Projekte in den Fokus stellen.
Und gerade, weil wir ganzheitlich denken und agieren, denken wir auch in München über Kommunikation hinaus... Wir sind überzeugt, dass uns Interdisziplinarität und Kooperation zu den besten Ergebnissen führen werden. Wir wissen, wie wertvoll unsere Vielseitigkeit ist und werden auch in München in technischen Projekten mitwirken und eng vernetzt mit unseren anderen Standorten zusammenarbeiten.
Bekannte Gesichter, verborgene Begeisterungen
Warum übers Wetter reden, keinesfalls nur Smalltalk ist und Balljäger an Schuhfarben, Stulpenlängen und Haarschnitten erkannt werden...

René Inderbitzin
Shot, keeper, corner right …
Warum beim Kommentieren eines Fussballspiels der Ball flach gehalten werden muss und nicht nur Schwalben beobachtet werden, erzählt uns René Inderbitzin. Während 90 Spielminuten sitzt er am Mikrofon und beobachtet Körperfiguren, Frisuren, Schuhfarbe und hochgezogene Stulpen.
Beruf/Ausbildung
Prozessfachmann mit eidg. Fachausweis
Funktion bei TBF
Bauleiter Fahrstrom
Eintritt bei TBF
2020
René wie kam es dazu, dass du hier oben auf der Medientribüne sitzt und ein Spiel kommentierst?
Jeder Fussballclub (ab der zweithöchsten Liga) stellte früher schon einen Statistiker. So auch mein damaliger Heimatclub und ich war für dieses «Nebenjöbli» sofort begeistert. Fussball schauen und dabei Geld verdienen, macht noch mehr Spass. Schon mit fünf spielte ich Fussball, und später war ich auch Trainer und Schiedsrichter. Fussball ist zwar nicht mein Leben, aber ich geniesse die vielen Perspektiven auf den Sport, die ich schon erleben durfte – einschliesslich der von der Medientribüne aus.
Du bist Fussball-Statistiker, was beinhaltet diese Rolle?
Ich berichte ausnahmslos, während einer Übertragung zum Data-Center, über jede Aktion auf dem Feld: jeden Ballkontakt, Pass, Zweikampf oder Schuss, auch sämtliche Regelverstösse, Karten und Wechsel – ziemlich anstrengend über 90 Minuten hinweg voll dabeizubleiben und das Ganze in englischer Sprache wiederzugeben. Wie man die Situationen beschreibt, ist in einer Anleitung festgehalten, wo ich noch heute dazulerne. Teams können diese Statistiken abrufen, werten sie aus und eruieren ihren Trainingsbedarf.
Details entscheiden Fussballspiele und deshalb sind Statistiken so wichtig. Am Schluss eines Spiels werden Fragen und Unklarheiten mit dem Schiedsrichter oder der Schiedsrichterin ausgetauscht. Ich will sichergehen, dass eine Situation nicht nur meine Wahrnehmung war. Falsch festgehaltene Verwarnungen und Auswechslungen wären für alle Beteiligten (Schiedsrichter:in, Statistiker:in, Spieler:in und Verband) eine Katastrophe.
Was sind die Herausforderungen?
Genau und vor allem neutral zu sein ist sehr wichtig. Alle Beobachtungen festhalten, Funkdisziplin einhalten und auch bei einem langweiligen Spiel «immer am Ball bleiben» und für Überraschungen parat sein, von null auf hundert.
Schnell kommentieren zu können bedeutet sich aufs Spiel zu konzentrieren. Wenn man die Spieler:innen in jedem Spiel kennt, ist vieles einfacher. Verschiedene Merkmale helfen, sie zu erkennen: die Positur, die Frisur, die Schuhe oder wie die Spieler:innen ihre Stulpen tragen. In einem 20’-Vergleich zwischen zwei Personen (mit und ohne Fussballspieler:innenkenntnis) konnten mit Spieler:innenkenntnissen bis zu 800 Situationen mehr beschrieben werden. Auch eine schnelle Auffassungsgabe und sofortige Wiedergabe über die Geschehnisse sind wichtige Skills in diesem Job.
Was nimmst Du für Dich aus diesem Nebenjob mit?
Das Erleben von Emotionen von tief unten bis hoch oben, von Enttäuschung bis Jubel. Im selben Spiel stieg einmal ein Team ab und das andere auf, mit den unterschiedlichsten Gefühlen. Daraus kann manchmal ein geladenes Spannungsfeld entstehen. Die Situation beruhigt sich dann aber auch bald wieder.
Das Highlight ist, kurz nach dem Spiel über den Platz zu gehen, zwischen den Teams durch, durch den Spieler:innentunnel zu den Garderoben und zur Absprache mit den Schiedsrichter:innen. Ich nehme in den Gesprächen mit den Menschen auch persönliche Geschichten mit, die man nicht hören würde. Es ist spannend zu hören, wie sie sich vorbereiten, wie professionell sie das Amt umsetzen und nebenbei noch einem Hauptjob nachgehen. Wie gehen Schiedsrichter:innen beispielsweise mit den Emotionen eines Fussballspiels um? Ich gelange dank meinem Job an Hintergrundinformationen, die die Öffentlichkeit nie zu hören bekommt.

Nikola Ihn
Eine Wolke ist nicht nur einfach eine Wolke
Im Gespräch über Wetterapps, den Jetstream und Hochseesegeln erfahren wir von Nikola, wie und wo sie ihr Wissen anwenden kann. Und warum das Gespräch übers Wetter auch wirklich spannend sein kann.
Beruf/Ausbildung
MSc ETH Atmospheric and Climate Science
Funktion bei TBF
Projektleiterin
Eintritt bei TBF
2021
Als du bei TBF eingestiegen bist, hast du dich vom Wetter verabschiedet. Warum?
Vom Bachelor in Geografie kam ich im Master zur Meteorologie, merkte aber bereits während der Masterarbeit, dass ich nicht in der Forschung bleiben wollte. Mein Interesse für Abwechslung, Projektmanagement und Naturwissenschaften führte mich dann zu TBF. Zwar begleite ich viele Energieprojekte, aber inhaltlich hat das nichts mehr mit Meteorologie zu tun. Was einen interessiert, muss nicht immer unbedingt Beruf werden. Das Studium war für mich geprägt von diesem Prioritäten-Wandel von meinen Interessen hin zu meinen Stärken. Schon als Kind war ich nämlich begeisterte Projektmanagerin: Das Lieblingsspiel meiner Schwester und mir war „Hotelbetrieb“. Ich spielte die Hotelmanagerin – sie meist alle anderen Rollen.
Wo kannst du im Alltag heute dein Wetter-Wissen einsetzen?
Mir macht es grosse Freude per App die Daten meiner eigenen Wetterstation zu Hause zu überprüfen. Eine einfache Anlage mit Innen- und Aussenmodul, womit Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Druck automatisch gemessen werden. Apropos Wetterlagen prüfen: Meine Kolleg:innen versuche ich davon zu überzeugen, statt der iPhone-Wetterapp, bitte wenigstens Meteo-Schweiz zu konsultieren. Ein weiterer fun fact ist, dass ich laut Bekannten die Einzige sei, die gerne ernsthaft übers Wetter redet (lacht).
Hast du denn ein Lieblingswetterphänomen?
Mich fasziniert vor allem, wie im globalen Wetter alles, alles beeinflusst. Das heisst nämlich: Wenn es bei uns regnet, kann das mit einem Wetterphänomen in der Arktis zusammenhängen! Und trotz diesen Dynamiken bleiben lokale Phänomene, wie Sommergewitter oder das Wetter in gewissen Alpentälern, schwer vorherzusagen. Erfahrung und Gebietskenntnis spielen in der Meteorologie nämlich eine genauso wichtige Rolle wie das Verständnis von computergenerierten Wetterkarten. Grosses Faszinosum sind für mich auch die Windströme: Das Beispiel Jetstream zeigt, wie Luft manchmal fast wie Wasser fliesst und Wellen bilden kann.
Wenn wir grad beim Wasser sind: Du bist auch begeisterte Seglerin, da hilft dir dein gesammeltes Wissen sicher weiter?
Beim Segeln hilft es natürlich, dass ich den Himmel einschätzen oder ein Gewitter am Horizont erkennen kann. Auf hoher See kommt mein Wissen zugegeben etwas mehr zum Einsatz als auf dem Zürisee: Ich bin gerade dabei meinen Hochseeschein abzuschliessen. Zum Beispiel ist Wetterkenntnis für die Routenplanung von Segeltörns relevant. Mein Vater nahm mich nämlich schon früh mit aufs Segelboot: Vielleicht kommt meine Faszination für Wind und Wetter von daher?